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Was bin ich wert?

Nun da wir ein neues Kapitel aufgeschlagen haben und uns mit dem Abenteuer „Baby“ immer neuen Situationen und Anforderungen stellen müssen, kam auch ich in die Lage, der sich schon tausende Frauen und Generationen vor mir bewusst wurden. Nicht nur, dass ich mich neu finden muss, viel mehr muss ich den Wert der verschiedenen Rollen, die ich einnehme, neu bemessen.
Den Anstoss zu diesem Gedanken gab meine berufliche Lage, oder besser gesagt die akute Bewerbungssituation.

Meine Rolle als Arbeitnehmerin

Kaum war ich schwanger begann der Kampf um einen unbezahlten Urlaub (nach den 14 Pflichtwochen) und eine anschliessende Wiedereinstellung. Ich merkte, wie unangenehm meinem Arbeitgeber der ganze bürokratische Zirkus war und sah mich bei den ersten Entscheidungen etwas übergangen.
Meine Anschliessende drastische Pensenkürzung von 86 auf maximal 30% war dann nur noch eine Frage der Zeit. Hier war ich das erste mal mit der Frage konfrontiert, wie viel ich und meine Arbeit meinem Arbeitgeber wert sind. Denn Wertschätzung sieht in meinen Augen anders aus. Die folgenden Gespräche und „Kompromisse“ machten mir deutlich, dass meine Person nicht mehr gefragt war. Meine Frage, ob fachliche Gründe oder die neue Lebenssituation hinter der Kündigung stehe, konnte leider nur unzureichend beantwortet werden.
Also gings an die Bewerbungen. Aussagen wie: „Als Lehrer hast du da keine Probleme“ oder „Es sind do viele Stellen offen, du kannst dir deine Schule quasi aussuchen“, stimmten mich optimistisch und tatsächlich schickte ich über 15 Bewerbungen innert kürzester Zeit los. Die nun folgenden Absagen liessen mich (wie jeden Bewerber, ich weiss) stark an mir zweifeln. Ich habe Abitur, studierte innerhalb der Regelzeit vier Fächer, habe mehr als drei Jahre Berufserfahrung vorzuweisen, war Klassenlehrer, Lerncoach, Schulentwickler, Projektmanager und bin für die momentan ausgeschriebenen Stellen einfach nicht gut genug. Ja, meine Fächer seien gesucht – aber nur in Verbindung mit anderen Fächern, wahlweise Französisch oder Mathe. Die Leistungen, die ich erbringen kann sind demnach nicht wertvoll genug. Nur zusätzliche Fächer könnten mich aufwerten.
Hier zweifelte ich das zweite Mal grundlegend an meinem Wert, den ich in die Arbeitswelt mit einbringen könnte.
Bringe ich bei einem Gespräch ein, dass ich mit Baby keine 100% mehr arbeiten möchte, gehen bereits bei vielen Personalern die Läden runter. Mutter, Teilzeit, Kleinkind ergo viele Fehlzeiten, nicht so flexibel und kein Französisch? Auch hier wird mein verbleibender Wert nochmals geschmälert.
So wie aus dem Berg von Bewerbungen nun nur noch eine offen ist, wandelte sich auch mein Optimismus, in eine Ich-erwarte-nichts-mehr-Haltung.

Meine Rolle als Mutter

„Du arbeitest doch nicht, nimm das Baby einfach mit“ oder „Du bist doch zu Hause, du hast doch Zeit.“ – Ist mein grosser Feind. Es zeigt mir, wie wenig die Arbeit, die ich zu Hause leiste, wahrgenommen oder geschätzt wird. Betreuer oder Tagesmutter ist doch auch ein Volltimejob, der gezahlt wird. Warum gehen alle davon aus, dass ich mit meiner 24-Stunden-Betreuung vom Baby weniger leiste? Am Abend bin ich auch kaputt, will mal ausspannen oder eben nicht mehr bis halb zehn mit dem Baby spielen.

Als „Mami“ werde ich nun anders eingeschätzt, wahrgenommen und auch wertgeschätzt.  Aber am schwersten ist, dass ich mich in der Rolle der „Mami“ nicht richtig ernst genommen fühle. Schlimm genug, dass diese Abwertung von der Gesellschaft oder sogar meinem sozialen Umfeld kommt, aber man nimmt sich mit der Zeit auch selber nicht mehr so wichtig. Mein Baby ist gerade unzufrieden. Ich weiss, dass sind Babys nun mal ab und zu aber es gibt wohl keine Mutter die in den ningel, nörgel, quengel, heul-Zeiten noch nicht an sich gezweifelt hätte. Wie nutzlos man sich vorkommt, wenn das Kind einfach weiter weint, wie unfähig man sich findet, wenn beim Partner plötzlich jede Bewegung ein Kichern hervorruft und wie egoistisch man sich fühlt, wenn man sich einfach mal Ruhe und Zeit für sich wünscht… Neben dem Wert, den andere Leute mir beimessen, sinkt auch der Wert, den ich mir selber zugestehe.

Meine Rolle als Frau und Partnerin

Wie soll ich mich in meinem Körper gut, sexy und akzeptiert fühlen, wenn ich dafür keinen Raum habe? Ich spreche nicht mal von Dehnungsstreifen, Haarausfall oder wenig sexy Still-BHs… Wann soll ich zum Frisör gehen um eine anständigen Schnitt in meine Vogelnesthaare zu bekommen, wenn ich den ganzen Tag das Baby mit mir rumschleppe? Wann soll ich zum Sport gehen und etwas gegen die Reste vom Babybauch tun, wenn ich das Baby nicht abgeben oder den Wagen mitnehmen kann? Wo bekomme ich einen Baby tauglichen Termin um die Beine sommerlich und regelmässig zu waxen?

Neu-Mamis erkennt man, sagt das Klischee.
Das sind die Frauen, die in Jogginghose rumlaufen*¹
Das sind die mit den zerzausten Haaren*²
Das sind die mit den Flecken auf dem Shirt *³
Als Frau merke ich die abschätzenden Blicke anderer Frauen und auch Männer. Gewogen und für zu leicht empfunden, sagt mein Outfit und das sabbernde Baby auf meinem Arm. Wieder verliert mein Ausgangswert einige Punkte.

Ja, ehrlich gesagt fühle ich mich gerade ziemlich wertlos. Ich habe lange über den richtigen Begriff nachgedacht. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass viel von dem Grundgefühl der beruflichen Situation geschuldet ist und sich das mit einer Zusage oder Zwischenlösung ändern wird. Aber in einer ruhigen Minute denke ich trotzdem darüber nach, warum ich (und evtl. fühlte sich auch die ein oder andere Mama gerade so) gerade einfach nicht gut genug sein kann.

 

*¹, weil sie den ganzen Tag mit dem Kleinkind auf dem Boden rumtoben
*², weil das Baby neuerding immer nach dem Hargummie greift, wenn man es trägt und tröstet.
*³, weil das Baby noch eben kurzvorher gestillt wurde und beim Bäuerchen Milch ausspuckte.

3 Gedanken zu „Was bin ich wert?“

  1. Ohja das kommt mir so bekannt vor. Gerade bei der Großen war es eine riesige Umstellung. Da kamen 20 Kilo drauf, alle Freunde sprangen ab und meldeten sich zum feiern nurnoch bei meinem Mann und mein Arbeitgeber sagte mir durch die Blume, dass ich Früh und Spätdienste machen müsste sonst wären meine Dienste nicht mehr von Nöten. Da ich dazu nicht mehr bereit war musste ich mir damals auch was neues suchen.

    Mama zu sein ist schwer, verdammt schwer. Gerade weil die Anerkennung so minimal ist.
    Ich wünsche dir, dass du bald eine tolle Stelle findest und bald wieder etwas mehr Zeit für dich hast.

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  2. So und nun spricht hier mal die Mama der Mama ergo die Oma!
    Es ist unglaublich, dass in unserer zivilisierten Welt, Mütter sich immer wieder damit plagen müssen, sich hinterfragen müssen, sich wert- und lieblos finden müssen.
    Auch ich habe das erfahren müssen und es brennt sich in deine Person ein! Denn meist bleiben diese Gedanken und das Gefühl der Unzulänglichkeit, ob nun als Mutter, Partnerin oder Arbeitnehmer, selbst als Freundin, keinem gerecht werden zu können. Meist bleibt man selbst auf der Strecke. Die Anforderungen an die Mamis wachsen mit jedem Jahr und die Depressionen lauern in jeder Ecke.
    Niemand kann allem gerecht werden, schliesslich sind wir nicht Superwoman, wobei ich nicht mal weiß, ob diese Dame ausser mit Schurken auch mit Kindern und kinderunfreundlichen Arbeitgebern zu kämpfen hatte.
    Ich kann leider nichts weiter tun, als Zuspruch zu geben und meine Bewunderung für meine Tochter auszudrücken. Genau deswegen liebe ich derzeit meine Lebensphase. Jetzt weiß ich, was ich wert bin! Die Kinder sind großartig gelungen, der Mann ist geblieben und ich bin mir sicher, dass ich niemals mehr als 30 Stunden arbeiten werde, denn dass ist es einfach nicht wert!!!
    Lass dich nicht unterkriegen und wenn es nicht klappt mit der Arbeit, nimm dir eine Auszeit und komm zu uns. Geh zum Frisör, zum Shoppen und Kassian übernehme ich.
    Wir lieben dich! Du bist die Beste! Deine Mama

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  3. Ach Herzchen! Deine Situation ist echt schwierig. Kann man dich irgendwie unterstützen und aufmuntern? Sobald du es euch zutraust, nehmen wir den Kleinen gern mal ab. Gib Bescheid und ich organisier’s 😉 (und keine Kommentare wg. „Du hast ja nie Zeit“!)

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